Vom Leben, Sterben und Wünschen

denn sterben ist leben

 

Vielleicht fragst du dich, was hat denn das Sterben mit dem Tanz des Lebens zu tun? Nun, es bewegt mich gerade sehr, darum möchte ich eine persönliche Erfahrung hier teilen.


Ich durfte durch das Sterben und den Tod meines Vaters in den letzten Wochen lernen, dass wir das Sterben wie einen Tanz mitgestalten und auf liebevolle Weise begleiten können, genau wie das geboren werden. Es tut so gut, wenn wir uns damit bewegen, es (mit)fühlen, und über das Sterben sprechen.


wünschen erlaubt

Mein Vater starb vor gut zwei Wochen.  Vor längerer Zeit schon hatten wir ihn gefragt: Wenn du es dir komplett aussuchen könntest, wie möchtest du dann sterben???

Er hatte geantwortet: zuhause, im Kreis seiner Kinder, und mit Gesang.... Ob das irgendwie realistisch ist, das hatten wir uns damals nicht gefragt.

 

Als seine Lebenskräfte dann mehr und mehr schwanden haben wir gemeinsam alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass soviel wie möglich wahr werden konnte von seinen Wünschen. Sie leiteten uns wie ein Kompass bei anstehenden Entscheidungen. Das war nicht leicht. Schmerz und Phasen der Rat- und Hilflosigkeit traten auf. Immer wieder kamen wir an unsere persönlichen, emotionalen und organisatorischen Grenzen. Aber schlussendlich hat es tatsächlich geklappt. Seine Wünsche konnten in Erfüllung gehen und haben uns und ihm viele kostbaren Momente geschenkt, voller Dankbarkeit und Nähe bis in die letzten Stunden hinein und sogar darüber hinaus.

wesentliches wird sichtbar

Diese existentielle Zeit, die durch die Nähe des Todes entstand, ich habe sie empfunden wie ein Brennglas. Sie zauberte das Wesentliche, das Kostbare des Lebens auf die innere Leinwand.

Im Alltag fällt es mir sonst oft schwer, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. In dieser Zeit war es ganz leicht. Ich wußte genau, welche Aufgaben und Pflichten ich weglassen oder aufschieben konnte um mir Zeit zu nehmen für meinen Vater.

Auf der anderen Seite gab es Herzensanliegen, wichtige Veranstaltungen, die brauchte ich nicht wegschieben. Stattdessen konnte ich meinen Geschwistern vertrauensvoll die Betreuung meines Vaters überlassen. Hingabe und Vertrauen wollten genauso geübt werden wie konkrete Zuwendung und praktische Unterstützung.


dankbarkeit

Abschließend bleibt mir noch von meinem Staunen zu erzählen über den Reichtum an Briefen und anderen Rückmeldungen, die uns nach dem Tod meines Vaters erreichten.

Soooviele Menschen schrieben und erzählten mit großer Wertschätzung von dem, was sie mit ihm erlebt hatten. Ehrlich gesagt: ich musste immer wieder lachen und weinen, wenn ich die Briefe las. Noch nie vorher habe ich meinen Vater aus so vielen Perspektiven sehen dürfen, mit soviel liebevollem Licht beleuchtet. Ich bin einfach von Herzen dankbar für all diese Erfahrungen.


Wenn wir Abschied nehmen wird unsere Neigung zu dem, was wir schätzen,

immer noch etwas wärmer. (M.de Montaigne)