1000 Gestalten - Ein Tanz der Ermutigung!

 

Am letzten Mittwoch (5.7.17) durfte ich mich in eine der grauen Eminenzen der Kunstaktion 1000 Gestalten in Hamburg verwandeln. Ein außergewöhnliches, sehr sinnliches „Gipfel“Erlebnis. Hier ein paar persönliche Eindrücke:

 

Morgens 8 Uhr bei der hanseatischen Materialverwaltung in der Hafen City - hunderte Menschen strömen aus allen Richtungen zusammen - Schlange stehen – anmelden. Ich schaue mich neugierig um, ich kenne niemanden hier, spannend! Um mich lockere und vorfreudig gespannte Leute aller Altersstufen. Endlich geht es los.

 

 

In einer staubwolkenverhangenen Halle schlüpfe ich in eine graue, etwas steife, schwere Hose, ein Hemd, ein Schlips dazu – mit graue Schminke werden Augen, Mund und Ohrenpartien abgetupft, die Haare streng gestylt, dann Belehmung: Lehmschlamm verteilen auf Gesicht, Frisur, Hals, Schuhe und Füße....alles trocknet langsam ein, bildet Kruste. Die bunte Menschenmenge wandelt sich, mehr und mehr graue Gestalten erscheinen, wir sind viele! Privates verschwindet in grünen Säcken, Identität wird abgegeben.

 

 

Dann Instruktion, der Plan steht, es ist alles gut vorbereitet.

 

 

13 Uhr: Aufbruch - Mimik, Gestik, Hektik, Worte lassen wir zurück, einzig ein kleiner Klicker in der Hand dient der Geräuscherzeugung. Mit leerem Blick und langsamen Schritten quellen wir aus dem Dunkel eines U-Bahn Schachtes ans Licht. Der Weg durch die Stadt scheint endlos, fast eineinhalb Stunden schleichen wir dahin, gemeinsam einsam, klick......klick...klick. Wir ziehen vorbei an staunenden, innehaltenden, ihr Handy zückenden oder vorbeihastenden Passanten. Journalisten, Fotographen, Neugierge kreuzen unseren Weg, doch sie fluten vorbei, kein Gesicht, kein Geräusch durchbricht unseren äußeren und inneren Panzer. Gelegentlich bricht eine Gestalt zusammen, bleibt liegen, burn out, Anschluß verpasst, Looser, Pech gehabt! Wir anderen trotten stumpf weiter. Beklemmende Bilder, eine Sphäre von seltsamer, tickender Stille begleitet den Zug.

 

 

Dann ein Aufschrei, unruhiges Klickern verrät: es passiert etwas. Einer hat die Augen geöffnet, er befreit sich, entledigt sich der verkrusteten Schale, atmet, Freude wacht auf und Interesse. Er wendet sich den anderen zu. Er befreit mit einer Augen öffnenden Geste eine zweite Gestalt und Stück für Stück kommt die Befreiung ins Rollen.

 

 

Es staubt ohne Ende, doch es tut soooo gut die grauen Klamotten loszuwerden, die erstarrte Lehmmaske vom Gesicht zu rubbeln, endlich wieder bewegen, juchzen, tanzen, umarmen, Welche Freude, da sind lebendige Menschen um einen, und wir haben gemeinsam etwas unternommen. Eigentlich kenne ich niemanden hier, doch auf einmal sind wir Team, bunt, ein wenig verrückt, so wie ich selbst eben, und so froh, und neugierig, denn die Welt war vorher wie belanglos an einem vorübergezogen. Von den Passanten, von den Journalisten und von der Polizei hatte ich nur vage Schattenbilder mitbekommen. Jetzt waren sie einfach da, wie Verbündete, auch sie lebendig, freudig, klatschend, staunend. Ich fühle mich unglaublich jung in diesem Moment, ein wenig wie neugeboren. Ich genieße es mich aufzurichten, zu springen, in Kontakt zu gehen. Zurück auf dem Vorbereitungsgelände im Sonnenschein unter Gartenschläuchen duschen (kalt, aber wunderbar) und anschließend einreihen in die lange fröhlich Essensschlange. Die warme Mahlzeit ist ein Geschenk.

 

 

Was bleibt: Dankbarkeit und Hochachtung vor den Organisatoren der Aktion, die soviel in Bewegung gesetzt hatten, damit sie stattfinden konnte. Freude an den sprechenden Fotos und Videos, Spiegelbilder unserer Erstarrung und Hilflosigkeit und dem was sich darunter verbirgt. Bilder, die um die Welt gegangen sind. Eine Demonstration, auch im politischen Kontext, FÜR das Leben in einer Zeit, wo ansonsten viele leere Worte und sinnlose Gewalt die Berichte um den G20 Gipfel in den Medien dominiert haben.

 

 

JA, genau, dachte ich hinterher, das ist im Grunde genau das, was wir beim Biodanza auch machen: Menschen ermutigen sich aus ihrer gefühlten Hilflosigkeit, ihren Verkrustungen und aus eingefahrenen Situationen zu befreien und sich trauen wirklich lebendig zu werden, gemeinsam, einzigartig, sinnlich, welch ein Tanz!