
Stell dir vor, du arbeitest seit vielen Jahren daran, Menschen mit ihrer Lebensfreude zu verbinden. Du erlebst, wie sie ihre kreativen Potentiale hervorlocken, und begrenzende Gefühle und Situationen der Vereinzelung, das Schneckenhaus der Schüchternheit, oder das einsame Krieger/Innen Dasein hinter sich lassen. Du öffnest Räume voller Musik, Tanz und Begegnungspielraum, wo es leicht ist aufeinander zuzugehen, wo Vertrauen wächst, gegenseitige Achtsamkeit und Wertschätzung, wo menschliche Nähe, gegenseitige Unterstützung sowie die Freude an persönlicher freier Entfaltung wieder ein natürlicher Bestandteil des Lebens wird. Und so wächst diese Arbeit ins Leben vieler Menschen hinein als ein geschätztes konstruktives Element....und dann?
Purzelbäume, rückwärts und vorwärts

Dann erscheint auf einmal eine Covid 19-Gespensterhorde im Feld und zieht jede Menge Hebel: „Ätschi – Vergiß es!“ ist zu hören, „Zum Einen darfst du erstmal gar nicht mehr arbeiten, zum Zweiten so wie bisher sowieso gar nicht, menschliche Nähe, das werden wir euch austreiben! Und zum Dritten: Wir machen voll das Gegenprogramm, du wirst schon sehen, all das, woran du bisher gearbeitet hast, das wischen wir innerhalb kürzester Zeit vom Tisch und pusten soviel Angst ins Feld, dass du gar nicht mehr weißt, wo du wieder anfangen sollst...“
Huppsa, so ungefähr fühlte es sich für mich im März 2020 an. Nachdem ich den ersten mittelschweren Schock überwunden hatte, wuchs langsam aber deutlich die Widerstandskraft in mir: „Das wollen wir doch mal sehen! Jetzt erst recht. Wozu habe ich das Tanzen gelernt, auch das zu Boden gehen und wieder Aufstehen, und das Mich Gerade machen für das, was mir wichtig ist, z.b. für ein Miteinander statt Gegeneinander?“ Also Purzelbaum vorwärts und schauen: Was steht an, was geht?
Jahresgruppe für Frauen 2020/21
Als erstes klopfte meine Jahresgruppe an die Tür. Monatelang hatten wir uns darauf gefreut, dass es im März losgehen sollte....und dann ging gar nix....?!?
Frei nach dem Motto, wenn Türen zugehen müssen wir Türen finden, die aufgehen: so haben wir telefoniert, obwohl wir einander nicht kannten, haben geschrieben, gemalt, gemailt, einander Fragen gestellt, uns verabredet, in Minigrüppchen im privatem Rahmen getanzt, uns Schritt für Schritt aufeinander zubewegt,...bis wir uns endlich ab Juni life treffen konnten.

Hurra, LIFE, aber hoppla, wie können wir Biodanza tanzen mit Abstandsregeln? Gefühlt waren mindestens drei Purzelbäume nötig und intensiver Austausch mit KollegInnen, bis wir loslegen konnten, mit gaaanz viel Freude, mit Tanzen auf der Wiese, mit ruhigem bei sich Ankommen, mit überraschenden Einsichten und vertrauensvollem Teilen der eigenen Erfahrungen.
Inzwischen ist die Gruppe zusammengewachsen zu einem bunten, gar nicht homogenen Team, wo Vieles sein darf und Nix muss. Wir bleiben, Dank Corona, länger zusammen als erst geplant, und nicht nur einmal habe ich gehört: „Welch ein Geschenk, gerade in dieser Zeit, Teil einer solchen Gruppe sein zu dürfen.“
Ich freue mich sehr darüber und sage an dieser Stelle: „Ein dickes fettes „Hut ab und Dankeschön“ an die unerschrockenen Teilnehmerinnen der Jahresgruppe 2020/21.
ONLINE Biodanza
Doch das waren nicht die einzigen Purzelbäume und Neuerfindungen des Jahres. Den nächsten durfte ich mit der Biodanza-Dienstagsgruppe in Hamburg schlagen. Meine erste Überraschung in diesem Zusammenhang habe ich meiner Kollegin Antje zu verdanken, die gleich zu Beginn des ersten Lockdowns vorschlug, auf Online Biodanza umzusteigen. „WAAAS? Online Biodanza, das geht gar nicht!“ dachte ich. Hauptsächlich aus kollegialer Loyalität habe ich dann teilgenommen und festgestellt: Okay, da liegen Möglichkeiten verborgen, die es wert sind, erforscht zu werden. Klar, es ersetzt kein Life-Biodanza, doch wir können damit Austausch ermöglichen, Verbindungen pflegen, schöne Musik, Tänze und innige Momente in die Wohnzimmer holen und ein paar dunkle Gedanken verscheuchen. Menschen können sich auch für eine Online Vivencia verabreden und so einen wunderbaren Abend zu zweit oder zu dritt verbringen....da geht doch was! Inzwischen habe ich mich schon öfter auf dieses Neuland gewagt, habe im ersten und zweiten Lockdown Online Vivencias gestaltet, und mich über erstaunlich gutes Feedback gefreut.
viel neues für die dienstagsgruppe in hamburg

Im Sommer wurde klar, im Feld der Biodanza Dienstagsgruppe braucht es Erneuerung, Wandlung. Antje Koolen, die die Gruppe viele Jahre geleitet hatte, zog sich zurück, und mir wurde klar: Alleine werde ich die Gruppe, dieses Angebot, in dieser herausfordernden Zeit nicht fortführen können. Also wieder nach Türen und Formen Ausschau halten. Wie kann es weiter gehen, und zwar möglichst gemeinschaftlich? Solidarität und Kontinuität wurden gebraucht. Um zukünftig die Leitung und Begleitung der Gruppe auf mehrere Schultern zu verteilen, habe ich mich mit KollegInnen zu einem Leitungsteam zusammengetan. Außerdem, und das ist entscheidend für die Zukunft des Biodanzaangebotes in der Corona-Unsicherheitszeit, haben wir einen solidarischen Freundeskreis gegründet. Das ist erstaunlicher Weise innerhalb weniger Wochen geglückt und jetzt gibt es über viele Menschen, die regelmäßig einen monatlichen Beitrag bezahlen, damit die Tanzraummiete abgedeckt ist, völlig unabhängig davon, ob und mit wievielen TeilnehmerInnen getanzt werden darf. So konnte eine tragende Perspektive geschaffen werden für diese bunte offene Dienstagsgruppe, die viele Menschen inzwischen kennen und schätzen. Es hat mich seeehr beflügelt und beglückt, dass dieses Projekt zustande gekommen ist. So ermöglichen jetzt ganz viele Menschen gemeinsam, dass dort, wann immer es die Verordnungen erlauben, Life Biodanza Vivencias stattfinden können.
1000 DANK an alle TänzerInnen, Freundeskreismitglieder und KollegInnen.
biodanza in bad oldesloe
Ein ähnliches Model lebt inzwischen auch in Bad Oldesloe, in der Biodanzagruppe im BELLA DONNA HAUS. Auch dort ist inzwischen ein Freundeskreis entstanden, der das Haus finanziell unterstützt, da die Mieteinnahmen in dieser Zeit so bedrohlich weggebrochen sind. Auch an die dortigen Tänzerinnen, Tänzer und KollegInnen geht hier mein gaaaanz herzlicher Dank!
mehr licht als dunkel

Von vielen weiteren Corona Purzelbäumen und Geschenken könnte ich erzählen, von neuerfundenen Tänzen, bewegenden Gesprächen, von Gefühlsachterbahnen, von zuversichtlichen und pessimistischen Gedanken, vom ständigen Abschied nehmen und Loslassen altvertrauer Strukturen und Handlungsgewohnheiten, du wirst sicher auch ein Lied davon singen können, oder? Wenig funktioniert oder darf noch so sein wie vorher, und vielleicht ist das auch gut so? Es war ein ungemein spannendes, kreatives und anstrengendes Jahr, doch für mich, aus der Rückblickperspektive, mit deutlich mehr Lichtblicken als Dunkelheiten.
Hab Dank für Deine Aufmerksamkeit, wie schön, dass wir so auf eine leise Weise in Verbindung sind, und vielleicht sehen wir uns wieder beim Biodanza, life oder online, oder im Jahreskurs. Bei Interesse schicke mir gerne eine Mail.